Schützenstraße 10
59071 Hamm
Arbeitgeber dürfen Krankschreibungen ihrer Beschäftigten anzweifeln. Das gilt insbesondere, wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes direkt nach einer Kündigung vorgelegt wird und die ganze Kündigungsfrist umfasst.
Hintergrund:
Eine kaufmännische Angestellte war bei ihrer Arbeitgeberin seit Ende August 2018 beschäftigt. Nach nicht einmal einem halben Jahr kündigte sie am 08.02.2019 zum 22.02.2019 und legte gleichzeitig eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Erstbescheinigung) vom gleichen Tag und bis zum 22.02.2019 vor. Die Arbeitgeberin verweigerte daraufhin die Entgeltfortzahlung. Sie hielt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht für aussagekräftig, weil sie nach der Eigenkündigung der Beschäftigten für die ganze Kündigungsfrist galt. Die Arbeitnehmerin hat dagegen geltend gemacht, sie sei ordnungsgemäß krankgeschrieben worden, weil sie kurz vor einem Burn out gestanden habe. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Arbeitgeberin verurteilt, für die Zeit vom 08. – 22.02.2019 Entgeltfortzahlungen zu leisten. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Entscheidung des BAG:
Das BAG hat zunächst die Revision zugelassen und die Klage dann abgewiesen. Zwar habe die Klägerin – so das BAG – die von ihr behauptete Arbeitsunfähigkeit mit der entsprechenden dafür vorgesehenen Bescheinigung ihres Arztes nachgewiesen, was das gesetzlich vorgesehene Beweismittel sei, allerdings sei der Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung erschüttert worden, weil diese genau für die komplette Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses gegolten habe. Dies begründe – so das BAG – einen ernsthaften Zweifel an der (bescheinigten) Arbeitsunfähigkeit. Die Arbeitnehmerin ist auch im Prozess ihrer deshalb nach Meinung des BAG bestehenden Pflicht ausreichend nachzuweisen, dass sie tatsächlich arbeitsunfähig gewesen sei, nicht nachgekommen. Daher hat das BAG ihre Klage abgewiesen.
Bedeutung:
Auf eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann ein Arbeitnehmer sich nicht immer verlassen. Insbesondere wenn er bspw. aufgrund der unhaltbaren Situation am Arbeitsplatz in die Arbeitsunfähigkeit „flieht“, sollte er alles – insbesondere Äußerungen gegenüber dem Arbeitgeber, aber auch gegenüber Kolleginnen und Kollegen – unterlassen, was darauf hindeuten könnte, dass er gar nicht krank ist.
Grundsätzlich gilt aber trotz des Urteils des BAG weiterhin, dass für den Nachweis einer Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit die übliche Bescheinigung des behandelnden Arztes ausreicht.
BAG, Urt. v. 08.09.2021 – 5 AZR 149/21